Sesson #12 – Kekse für den Kobold
Frühstück! Nach dieser ereignisreichen und kurzen Nacht, habe ich das echt nötig. Mein Magen grummelt schon. Als ich die Treppe von Robans Haus hinabsteige, wo unsere Gemächer liegen, sehe ich als erstes Falk. Er sitzt immer noch vor dem Kamin wo wir ihn gestern Abend hinbrachten, nachdem Amalia und Garalor ihn aus dieser verfallenen Scheune holten. Mit glasigen Augen starrt er regungslos vor sich hin. Das Feuer ist über Nacht erloschen, nicht mal nachgelegt hat er. Wie eine Vogelscheuche, ohne Bewegungen aus eigenem Antrieb sitzt er da, nur wenn er angestossen oder aufgefordert wird regt er sich oder redet.
Es ist kalt im Gastraum, doch Tsabine schürt bereits den Kamin an. Aufgetischt hat sie auch schon, die gute Seele. Wenn Sie nur wüsste was ihr in wenigen Tagen bevorsteht, sollten wir sie nicht retten können. Ich beobachte sie einen kurzen Moment wie sie durch die Stube wuselt und jeden Befehl ihres Großvaters Roban ausführt.
Doch ihm scheint die Großmäuligkeit von gestern vergangen. Janus sitzt bei ihm und quetscht ihn aus. Seine “Ich bin ein Gelehrter, ihr müsst mir alles sagen, Euer Erbe überschreiben und mir dafür dankbar sein”-Nummer muss ich mir mal abschauen. Roban scheint das Gespräch jedenfalls unangenehm zu sein.
Der Rest unserer Gruppe hat sich ebenfalls am Tisch eingefunden und speist. Bin ich eigentlich schon wieder als Letzter aufgestanden? Sogar Lafadiel ist schon da und kämmt sich die Haare.
Und warum bin ich überhaupt so sentimental? Hier sitzt sie, die geballte Kraft der Gelben Knöpfe. Wir schaffen das. Wir werden es schaffen Falk von seinem Zauber zu befreien und wir werden verhindern, dass Tsabine in der nahenden Levthansnacht zu schaden kommt. Wir sind die “Gelben Knöpfe”, bei Praios!
Ha! Diese gepfefferte mentale Ansprache, zeigt Wirkung! Mein Selbstbewusstsein ist jetzt so groß wie der Trollzacken!
Gerade als ich dazu anheben will von der Treppe aus eine inspirierende Rede zu halten, die bereits bestandenen Abenteuer Revue passieren zu lassen, um unsere Leistungsfähigkeit hervorzuheben, kurz jedes Gruppenmitglied positiv zu erwähnen, um den Zusammenhalt zu beschwören und mein neu erdachtes Motto für unsere Gruppe: “Gelbe Knöpfe gegen Blaue Keuche” vorzustellen (was wir nutzen können, wenn wir dann endlich auf dem Weg nach Gareth sind), fängt Tsabine ein jämmerliches Heulen an, dass mich so aus dem Konzept bringt, dass mir nichts besseres einfällt als zu fragen: “Was ist mit Euch, Tsabine?”. Die Blicke der anderen hättet ihr sehen müssen …
Wahrscheinlich hat nur Lafadiel gedacht, dass es eine berechtigte Frage gewesen ist.
Tsabines Gefühlsausbruch stammt daher, dass sie mit dem namenlosen, dunklen Mann im Steinkreis getanzt hat. Scheinbar ohne einen Pakt oder dergleichen einzugehen, hat sie sich dort einfach mit ihm vergnügt und ist nun laut eigener Aussage seine “Buhle”.
Wir beruhigen sie und in einer abgespeckten Version meiner geplanten Rede versuchen wir sie zuversichtlich zu stimmen, dass wir ihr aus diesem Schlamassel helfen können. Fühlt sich gut an so edelmütig zu sein. Die anschließende Diskussion, ob wir Tsabine nun mitnehmen oder hier lassen, passt da nicht ganz ins Bild.
Janus bittet mich noch einen rostigen Nagel zu überprüfen. Wo hat er das Ding nur her? Ich spüre keine magische Energie, die von dem Nagel ausgeht und gebe ihn zurück. Als wir uns bereit machen zum Abmarsch, stecken er und Garalor sich jeweils einen dieser krummen, alten Nägel in ihre Schuhe. Wie mir erklärt wird, schützt er vor dem kleinen Wesen das Nella Kekse stiehlt und wilde Tentakel herbeizaubern kann, die selbst unsere kampferprobten Recken gestern Nacht beinahe in Borons Reich gebracht hätten.
Zum Glück haben wir erst nach der schicksalhaften Begegnung mit Aldo und dem Erwerb der gelben Knöpfe hierher gefunden und von den rostigen Nägeln gehört. Man stelle sich vor es wäre andersherum gewesen und unsere Gruppe hätte die “Rostigen Nägel” als Zeichen erkoren. Wie peinlich wäre das. Gelbe Knöpfe … viel besser!
Nachdem die elende Diskussion beendet ist, gehen wir zu Nella und ihrem Kater Raufbold. Es gibt frische, wunderbar schmeckende Kekse. Während wir einen nach dem anderen verspeisen, erklärt sie uns den Weg zum Steinkreis unter der Bedingung, dass wir uns nicht des Nachts dorthin begeben und warnt uns vor dem Feld mit weißen Blumen, welches wir kurz vor dem Steinkreis passieren müssen. Wir sollen uns fernhalten denn es droht Lebengefahr.
Sie gibt uns den Hinweis, dass der dunkle Kerl öfter mal ihre Kekse stiehlt und dass er mit einem Seil aus Blumen zu fesseln ist.
Nella gibt uns Kekse mit und führt uns zu einer Stelle wo um diese Jahreszeit noch Blumen wachsen, die der Göttin Tsa geweiht sind. Lafadiel knüpft die gepflückten Blumen geschickt um ein Seil herum, sodass ein Blumenlasso entsteht.
Den letzten und alles entscheidenen Rat bekommen wir zum Schluss: Der Diener des Namenlosen muss gereimte Fragen mit der Wahrheit beantworten. Falls mich der Kobold noch mal im Traum besucht, werde ich das auch versuchen. Ich muss mir gute Fragen überlegen.
Nachdem unsere Wanderung Richtung Steinkreis ereignislos und seltsam ruhig verläuft, erreichen wir das gefährliche Blumenfeld. Amalia erkennt die Blumen, man nennt sie Eishauch. Scheinbar locken sie Unwissende (oder Neugierige) mit ihrem Duft an und wenn man sich nähert, stechen mit ihrem Giftstachel zu.
Die Stimmung wird zunehmend gedrückter, der Wald wirkt trostlos und als Lafadiel ihren Gefühlen mit einem düsteren, elbischen zweistimmigen Gesang Ausdruck veleiht, verlässt uns der Mut. Mir kommt es vor als würde der Landschaft um mich herum die Farbe entzogen, meine Kehle wird trocken und meine Fingerspitzen werden taub. Ich drehe mich um und sehe Cyrill wie er versucht uns Mut zuzusprechen. Seine Worte dringen nur dumpf an mein Ohr. Doch auch der imposante Kämpfer vermag es nicht unsere getrübten Herzen mit neuer Kraft zu erfüllen. Garalor verliert schließlich die Nerven und geht Lafadiel an. Er schubst sie heftig, wie durch einen Schleier schaue ich dabei zu. Doch Lafadiel ist so gefesselt von ihrem Gesang, dass sie sich selbst von diesem Angriff nicht beeindrucken lässt. Als ihr Lied endet berichtet sie, dass dieser Ort voller Trauer sei und sie darunter leide.
Kur darauf erblicken wir ihn: Den Steinkreis. Nur neun Obelisken bilden ihn, nicht 13 wie in der Legende gesagt wird.
Alle sind froh als wir beginnen einen Plan zu schmieden, wie wir dem Diener des dunklen Prinzen habhaft werden können. So haben wir etwas zu tun und können uns ablenken. Eine gefühlte Ewigkeit tüfteln wir an den Fragen herum. Als wir sie schließlich beisammen haben, kritzelt sie Cyrill auf die Rückseite seines Schildes. Guter Mann, ich kann sie mir nämlich nicht merken.
Wir stellen eine Falle, die ausgebuffter nicht sein könnte: In der Mitte der Rucksack mit Keksen von Nella, abgestellt als hätte ihn ein Wanderer vergessen, um den Diener anzulocken. Ein paar Schritt entfernt im Gebüsch Cyrill und ich. Cyrill kann gut werfen, ich kann gut machen, dass Cyrill das leise macht, also bilden wir das perfekte Team. Auf der anderen Seite die Anderen. Sie sollen den Diener ablenken, sodass wir ihm unbemerkt das Blumenseil überwerfen können. Eigentlich müsste es reichen wenn Janus in seiner Rüstung aufsteht. Hier in diesem ruhigen und düsteren Wald müsste das Aufsehen erregen, als ob den Erzzwergen eine Eisenmine im Koschgebirge zusammenfällt.
Es dauert auch gar nicht lange und eine Gestalt mit Kapuze kommt des Weges entlang.
Der entscheidende Teil des Plans liegt mal wieder bei mir: Ich zaubere einen Silentium Schweigekreis um Cyrill und mich. Beinahe hätte ich meinen Zauber laut ausgesprochen, schaffe es gerade noch mein Maul zu halten und unter höchster Konzentration gelingt es MIR, Tancred Sandoval, zum ersten Mal in meinem Leben einen Zauber ohne lautes Rezitieren der Formel zu wirken.
Die anderen vergessen ihren Auftritt nicht. Bis Janus in seiner Rüstung aufgestanden ist, haben Amalia, Lafadiel und Garalor aber schon genug Aufmerksamkeit geweckt. Das kleine Kapuzenwesen erschrickt und hebt die Hände, aber nicht um sich zu ergeben, sondern um die Tentakel wieder zu rufen. In dem Augenblick wirft Cyrill geschickt das Lasso und … trifft! Genau um ein Handgelenk. Er zieht zu und fängt sofort an auf den Diener des Namenlosen einzureden. Scheinbar hat er vergessen, dass wir in meiner Kuppel aus Schweigen sind!? Es klingt als ob man den Kopf in eine Blumenvase steckt und redet. Sanft schiebe ich ihn aus dem Wirkungsbereich.
Jetzt erkenne ich auch, dass der Diener in Gestalt eines Eichhörnchens erschienen ist. Ihm scheint das Blumenseil am Handgelenk arge Schmerzen zu bereiten. Wir beackern ihn mit unseren bereitgelegten Reim-Fragen und als er uns glaubhaft versichert, dass er ebenfalls nur ein Sklave des namenlosen, dunklen Prinzen sei (zu dem Roban übrigens bereits seit 20 Jahren geht, um allerlei Wünsche erfüllt zu bekommen), lassen wir ihn frei. Wir haben also gemeinsame Interessen: Dem dunklen Prinzen das Handwerk legen. Der kleine Kobold revanchiert sich für die kurze Gefangenschaft, indem er Cyrill Eselsohren zaubert. Ein 2000 Jahre alter Krötenmensch mit Eselsohren. Der wäre selbst für unsere Karawane zu abgefahren gewesen.
Der dunkle Prinz scheint nicht von Anfang an übel gewesen zu sein. Viel mehr ist er wohl über die Jahre dazu geworden. Wir mutmaßen, dass er durch das Erfüllen zu vieler oberflächlicher und von kurzsichtigen Interessen geleiteter Wünsche verdorben wurde und nun Böse ist.
Die Lösung des Problems scheint zu sein, dass wir den Namen des Namenlosen herausfinden. Dann ist er nicht mehr namenlos, sondern vielleicht Hubert, der wünscheerfüllende Prinz vom Steinkreis. Darüber muss er dann bestimmt lachen, merkt, dass das mit dem Bösesein alles Quatsch war, löst den Zauber der von Falk Besitz ergriffen hat und dürstet nicht mehr nach dem Blute Tsabines.
Vielleicht.
Der kleine Kobold will sich zum Abschied noch über das Kaukaupulver hermachen. Der besonnene Top-Diplomat Garalor versucht ihn mit seinem diplomatischen Speer daran zu hindern, woraufhin der Speer zu einer Schlange wird und sich davonwindet. Ich bin beeindruckt. Kobolde sind wirklich mächtige Wesen.
Wir wollen zurück bevor es dunkel wird und Roban zur Rede stellen. Scheinbar hat er uns einiges nicht erzählt und uns dazu noch angelogen.
Wie das so ist wenn man den selben Rückweg nimmt, kommt man an den gleichen Orten wieder vorbei. So auch am Blumenfeld voller Eishauch. Garalor kann nicht an sich halten, geht an ein Seil gebunden, welches von Cyrill gehalten wird, hinein und vergiftet sich. Große Überraschung. Cyrill zieht ihn selbstverständlich raus, wie man das von 2000 Jahre alten Kröteneselmenschen so gewohnt ist.
Ebenfalls auf dem Rückweg liegt Nellas Zuhause. Ihr erzählen wir von der Begegnung und was der kleine puschelige Diener des dunklen Prinzen uns erzählt hat. Und Nella hat wieder den besten Tipp: Sie erzählt uns von einem Trank der nach Verabreichung den Namen des Geliebten im Traume erscheinen lässt. Somit wäre der Plan Tsabine den Trank zu geben, damit ihr der Name des Namenlosen Prinzen im Traum erscheint. Sollte klappen, schließlich hat sie mit ihm getanzt und ist laut eigener Aussage seine Buhle.
Die Zutatenliste für den Trank liest sich jedoch einigermaßen kompliziert.