Vorgeschichte Janus Audran

Vorgeschichte Janus Audran

Die Geschichte der Familie Audran, frei nach einer Erzählung von Lindbert Siegholm

Kapitel 1

Prolog

Mein Name ist Lindbert Siegholm und in meinen jungen Jahren war ich oft auf Wanderschaft. Meine Großeltern hatten meiner Familie ein kleines Vermögen hinterlassen und so konnte ich mir den Luxus leisten ein paar Jahre meines Lebens mit Wandern und anderen schönen Dingen zu verbringen.

Verschwendet war die Zeit wahrlich nicht. Ich schuf einige schöne und bekannte Gedichte wie „Des Lindwurm dunkle Feste“, „Feierlichkeiten zu Gareth“ oder auch eine Reihe von Geschichten mit dem Titel „Samtweich in Havenas Unterstadt“, was gerade bei der weiblichen Leserschaft sehr gut ankam.

Ich war gerade mal 21 Sommer alt, als ich die Reichsstraße 3 lang spazierte und in Weyring nach Süden abbog. Ich suchte dort nichts Spezielles und dachte mir, dass Inspiration sich oft dort findet wo man durch Zufall hingelangt.

Ich schlenderte also die Straße nach Süden als ich an einem Grenzstein ankam, ein Grenzstein wie er üblicherweise eben die Grenzen eines Lehens markiert. Was mich ein wenig wunderte war der kleine Schrein, der direkt neben dem Grenzstein stand. Es war keine Seltenheit, dass Schreine neben Grenzsteinen standen und einem eine sichere Reise im Namen des Phex oder Aves wünschte oder auch ein langes Leben im Namen der Tsa. Auf diesem Schrein war jedoch eine Tafel angebracht in der in schwarzen Lettern stand „Möge Boron dir noch viel Zeit schenken.“. Mich überkamen einige Fragen wie „Warum wünscht mir jemand etwas im Name Borons und nicht der Tsa oder Travia? Was für seltsame Leute mögen hier wohl wohnen? Und was esse ich heute eigentlich zu Mittag?“.

„Sei es drum. Vielleicht wird es ja ganz interessant.“ sprach ich zu mir selbst und marschierte fröhlich weiter. Wie interessant es werden sollte konnte ich ja noch nicht ahnen.

Ich kam vorbei an Feldern die in vollem Korn standen und auf dem Bauern fleißig die Sense schwangen, die Frauen mit den Wasserkrügen umhergingen um ihre Liebsten zu erfrischen und Kinder lachend in die aufgetürmten Heuhaufen sprangen. Ein jeder grüßte mich fröhlich im Namen des Boron, des Herren des Todes, des Schlafes und des Vergessens. Dies wirkte in Anbetracht des blühenden Lebens, der Blumen am Straßenrand, der spielenden Kinder und des strahlenden Sonnenscheins etwas befremdlich. Aber höflich wie ich war grüßte ich natürlich zurück und überall begegnete mir man mit Freundlichkeit.

Nach einer Weile schmerzten meine Füße etwas und ich merkte wie der Hunger mich überkam. Sodann sah ich in der Entfernung zwischen den Feldern eine kleine Kapelle stehen. Sicher war sie Peraine, der Göttin des Ackerbaus, gewidmet. Ich nahm mir vor mich in ihrem Schatten etwas zu entspannen und ein kleines Gebet an die Götter zu richten und ihnen zu danken für den schönen Tag. Doch beim Näherkommen erkannte ich auch auf dieser Kapelle das Rad des Boron. „Das ist ja wirklich seltsam. So etwas habe ich ja noch nicht erlebt.“ nuschelte ich vor mich hin. Ich setzte mich trotzdem zwischen die Blumen neben der Kapelle, packte mein Essen aus meinem Rucksack, nahm einen großen Schluck aus meinem Wasserschlauch, genoss den Schutz vor der prallen Sonne und nahm eine kleine Mahlzeit zu mir.

Irgendwann muss ich eingenickt sein, denn ein „He, Jungchen. Ist da noch ein Platz für meine alten Knochen?“ weckte mich auf. Ich öffnete meine Augen und schaute in alte, aber nicht minder lebensfrohe Augen. „Sicher, nehmt Platz Väterchen.“ entgegnete ich, deutete neben mich und rutschte etwas zur Seite und wie ich erwartete schob er ein „Boron zum Gruße.“ hinterher ehe er sich setzte.

So saßen wir einige Minuten schweigsam nebeneinander bis ich mich an ihn wandte „Sag mal Väterchen. Eines interessiert mich sehr. Warum wird hier überall Boron verehrt und nicht Tsa, Travia oder Peraine?“

In dem Moment lies mich das schnell näherkommende und fröhliche Lachen eines Kindes aufhorchen. Wir blickten die Straße runter und sahen einen kleinen Knaben den Weg lang rennen, hüpfen und springen. Wie es bei Kindern der Fall ist war jedes kleine Schlagloch eine Grube voller Schlangen über die man hinwegspringen musste um jemanden in Not zu retten und jeder Vogel, der heruntergefallenes Getreide aufpickte, war ein Drache den es zu verjagen galt.

Alsbald erkannten wir den Jungen Helden. Seine Haare waren dunkel wie das Gefieder eines Raben und schimmerten im Sonnenlicht leicht grünlich oder bläulich, wie es bei diesen Vögeln der Fall ist und die Augen waren so schwarz, als ob man in pure Finsternis blickte. Nur sein Lächeln, als er das Väterchen neben mir sah, verhinderte, dass man sich bei seinem Anblick gruselte. Der Junge ging zielstrebig auf das Väterchen zu, stellte sich vor ihn, stemmte die Hände in die Hüfte und sprach „Hast du wieder etwas Kandis dabei Opa Ullrich?“. Das Väterchen lachte, kramte kurz in seiner Tasche und reichte dem Jungen ein paar Stück leckeren Kandiszucker, auch ich bekam eines ab und steckte es mir dankend für später ein.

Mit einem verschwörerischen Tonfall mahnte Opa Ullrich den Jungen „Aber lieber Janus. Verrate das nicht deiner lieben Mutter.“, dabei zwinkerte er dem Jungen zu der daraufhin kicherte, wie es nur Kinder machen, wenn sie ein Geheimnis haben. „Die liebe Mutter hat es schon mitbekommen Ullrich.“ hörten wir eine Frauenstimme „Und der Vater hat es auch mitbekommen.“ ergänzte darauf eine tiefe Männerstimme. Während meine Aufmerksamkeit durch den kleinen Janus gefesselt war habe ich nicht mitbekommen wie eine junge Frau, vielleicht um die 35 Sommer alt, und ein junger, kräftiger Mann, vielleicht um die 40 Sommer alt, ebenfalls zu uns kamen. Die Frau legte Janus eine Hand auf die Schulter, lachte kurz und meinte zu Opa Ullrich „Wegen dir wird er noch rund und dick.“. Das Väterchen setzte eine unschuldige Miene auf und legte viel Unwissenheit in seine Stimme „Ich weiß absolut nicht was du meinst.“. Mit der Logik der Kinder posaunte Janus raus „Er hat mir auch ganz bestimmt keinen Kandis geschenkt, den ich nicht in meine Tasche getan habe.“ Der Mann und die Frau lachten zusammen mit Ullrich.

„Wir müssen nun weiter.“ wandte sich die Frau an Opa Ullrich. „Möge Boron euch noch viel Zeit schenken.“ sagte sie, nickte dem Väterchen und mir zu und alle drei gingen ihres Weges.

„Sag mal Väterchen.“ begann ich und wandte mich an Ullrich „waren das etwa die Eltern des Jungen?“ Dieser nickte nur kurz und steckte sich selbst ein Stück Kandis in den Mund. „Warum fragst du?“ nuschelte er hervor, während sich ein Lächeln ob des süßen Geschmacks in sein Gesicht stahl. „Nun ja, das Kind hat Haare so schwarz wie die Nacht und Augen so dunkel die der Schatten selbst. Die Eltern aber haben beide Haare so blond und hell wie der Weizen der gerade geerntet wird und Augen so blau wie das Wasser des Meeres an einem ruhigen Tag. Da frage ich mich, sind die Eltern überhaupt die Eltern?“ Das Väterchen lächelte ruhig, begann sich eine Pfeife zu stopfen und sprach „Dann will ich euch mal die Geschichte der Familie Audran erzählen. Eine Geschichte die bereits einige Generationen alt ist. Ob sie wahr ist oder nicht, das vermag ich nicht zu sagen, aber es heißt ja, dass jede Geschichte einen wahren Kern beinhaltet. Also lehn dich zurück und hör mir gut zu.“

 

Kapitel 2

Niemand soll schlafen

Der Hof der Familie Audran, südlich von Weyring, befindet sich schon viele Generationen in deren Besitz. Mit viel Fleiß und göttergefälligem Tagewerk konnte die Familie das Lehen über die Zeit vergrößern und hat es zu einigem Wohlstand gebracht. Sogar auf Feierlichkeiten des Adels wird die Familie ab und an eingeladen.

Die weiten Vorfahren der Audrans waren Thorwaler, wie man an ihrem stattlichen Körperbau, den hellen Haaren und ihren blauen Augen immer noch gut erkennen kann. Der Ururururururgroßvater von dem kleinen Janus, Elias war sein Name, war ein großer Freund des Glücksspiels und war auch dem Alkohol nicht abgeneigt, so erzählt man sich. Er blieb des Öfteren bis spät in die Nacht in der Taverne bei seinen Zechkumpanen. Dies war soweit kein Problem, da er sich trotzdem liebevoll um seine Frau kümmerte und hart auf dem Hof mitarbeitete-

Eines nachts kam er erst in den frühen Morgenstunden wieder nach Hause, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Das Glück war ihm am letzten Abend nicht hold und er hatte viele Dukaten verloren, seinen Frust ersoff er in hartem Rum. Besoffen wie er war stolperte er in die Stube und schmiss erst mal einen Stuhl um, fiel dadurch auf den Tisch, auf dem noch das Geschirr des Abendessens stand, warf dieses dadurch vom Tisch und machte einen Lärm, dass selbst die Toten dadurch wach werden konnten.

Er schrie und fluchte so laut und stark er nur konnte. Nach nur knapp einer Minute kam seine Frau in die Stube gestürmt, in der rechten Hand einen beeindruckenden Knüppel aus harten Buchenholz. Die linke Hand lag auf ihrem runden Bauch, es war nicht mehr lange bis zur Geburt des kleinen Kindes. „Hör mal mein Liebster.“ sprach sie „Es ist in Ordnung wenn du Alkohol trinkst. Es ist in Ordnung wenn du den Stuhl umschmeißt und das Geschirr kaputt machst. Aber schrei nicht so laut rum, dass man selbst in Gareth noch wach wird. Die Knechte müssen bald aufstehen und brauchen ihren Schlaf.“

„Schlaf?“ lallte Elias seiner Frau zu. „Wozu denn schlafen? Ich bin wach und dann können es auch alle anderen sein.“ er erhob seine Stimme und schrie besoffen in die Welt „Los, steht auf ihr Knechte! Ich bin wach also könnt ihr es auch sein! Hier wird nicht mehr geschlafen, nie wieder!“ Seine Frau legte sich nur kopfschüttelnd wieder in das noch warme Bett.

Niemand aber bemerkte den äußerst stattlichen Raben, der draußen vor dem Fenster saß und alles mitbekam. Mit einem tiefen „Kraa“ schlug er mit den Flügen und flog in den Himmel davon.

 

Kapitel 3

Konsequenzen

Am nächsten Tag kehrte wieder etwas Ruhe ein. Die Knechte und Mägde verrichteten ihr Tagewerk ohne besondere Vorkommnisse. Als Elias am späten Morgen aufstand war seine Frau in der Küche und bereitete das Mittagessen vor. Er gab ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, nahm sich einen Krug mit verdünntem Wein und setzte sich an den, mittlerweile abgeräumten, Tisch und nahm einen tiefen Schluck des kühlenden Getränks. „Ich habe vielleicht einen Mist geträumt.„ raunte er vor sich hin. „Bei der Menge an Alkohol die du getrunken haben musst wundert mich das nicht.“ erwiderte seine Frau Letezia und setzte sich zu ihm. Er fuhr mit einer Hand durch ihr strohblondes Haar, schaute in ihre blauen Augen „Mein Ausfall von heute Morgen tut mir Leid.“ bat er sie um Verzeihung. Sie lächelte nur, nahm seine Hand und legte sie auf ihren Bauch. „Fühl mal wie es strampelt. Lange kann es nicht mehr dauern.“. Bei den Tritten, die er durch die Bauchdecke spürte, wurde ihm warm um sein Herz. „Ich werde mich mal an die Arbeit machen. Die Ernte muss eingeholt werden.“. Er stand auf und ging zur Tür raus, eilte auf das Feld und begann den Knechten zu helfen.

So verging dieser Tag ohne weiter Ereignisse.

Am nächsten Morgen beklagte sich Elias wieder über wirre Träume und darüber, dass er deswegen erneut so schlecht geschlafen habe. Auf dem Feld nahm er dann ein wenig Gerede der Knechte wahr wie „Hast du auch so schlecht geschlafen?“ oder „ich habe vielleicht einen doofen Dreck geträumt“ oder auch „Ich habe die ganze Nacht kein Auge zu gemacht.“. Elias schob es auf das schwüle Sommerwetter. Doch in den nächsten Tagen häuften sich die Beschwerden. Niemand auf dem Lehen schlief mehr richtig, bis auf Letezia. Niemand fand einen ruhigen Schlaf. Jeder wälzte sich auf seinem Lager und wenn doch jemand einschlief wurde er von Alpträumen heimgesucht. Dies ging in den nächsten Wochen sogar so weit, dass die Ernte auf den Feldern liegen blieb, weil niemand mehr genug Kraft hatte um den ganzen Tag durchzuarbeiten. Nach knapp einem Monat fingen die Ersten an ihre Arbeit zu kündigen und das Lehen zu verlassen. Mitten in der Erntezeit fanden sie schnell wieder woanders Arbeit und außerhalb des Lehens fand auch jeder wieder einen ruhigen Schlaf. Dies sprach sich natürlich schnell rum. Es schien, als läge ein Fluch auf dem Lehen der Audrans.

Es ging sogar soweit, dass Eilias Tagelöhne anwerben musste, die tagsüber auf den Feldern arbeiteten, abends aber wieder nach Weyring zu ihren Familien heimkehrten. Diese Arbeiter waren natürlich sehr viel teurer als festangestellte Knechte. Es war nicht mehr weit bis zur Geburt des Kindes, Elias aber wusste nicht wie er sich um die ganze Arbeit und um seine Frau kümmern sollte.

 

Kapitel 4

Reue

So ging Elias einige Tage später zum Tempel des schwarzen Lichts in Gareth. Niemand besucht gern einen Tempel Borons, aber ihm war sehr wohl bewusst, dass er mit seinem nächtlichen Ausfall vor einigen Wochen gegen den Herrn des Schlafes gesündigt hatte.

Die Tempeltüren standen weit offen und der schwere Geruch nach Weihrauch drang nach draußen. Elias trat in das Gebäude und es schien als ob seine Schritte keine Geräusche mehr verursachten. Sogar die Klänge außerhalb des Tempels waren von einem Moment auf den nächsten kaum noch wahrzunehmen. Er stand alleine zwischen den Bänken für die Andacht und kam sich unwohl und beobachtet vor.

Alsbald kam ein Geweihter in einer dunklen Robe auf ihn zu und sprach mit tiefer Stimme „Boron zum Gruße. Was ist euer Begehr?“. Elias verneigte sich ehrfürchtig und erwiderte „Euer Gnaden, ich bin Elias Audran. Ich habe ein Lehen südlich von Weyring und ich befürchte, dass ich Boron gefrevelt habe und dass der Herr Boron mich dafür straft.“. Der Geweihte bat ihn ihm die ganze Geschichte zu erzählen und Elias kam dieser Bitte nach. Der Geweihte blickte ihn einen Moment mit seinen dunklen Augen an. „Es war sehr klug von euch, dass ihr zu uns gekommen seid. Ich werde ein Gebet für euch sprechen und Boron bitten mir zu zeigen wie ihr Buße tun könnt. Ich werde euch eine Nachricht zukommen lassen.“ Elias bedankte und verneigte sich, wandte sich dann ab und verließ den Tempel, nachdem er einige Dukaten in den Klingelbeutel geworfen hat.

Die Tage zogen dahin und Elias wartete auf eine Nachricht des Geweihten, vergebens. Nach knapp zwei Wochen setzten die Wehen bei Letezia ein und er schickte nach einer Traviageweihten, welche auch nach kurzer Zeit, zusammen mit einer Hebamme, auf dem Hof ankam. Mit gewohnter Autorität erteile sie einige Befehle und forderte sauber Tücher, heißes Wasser und vor allem Ruhe für Letezia. Elias scheuchte die Knechte aus dem Haus und kümmerte sich selbst um alles. Er ging in der Stube vor lauter Ungeduld immer wieder auf und ab. Wann immer er die Tür zum Schlafzimmer öffnete und einen Blick hinein warf, wurde er von der Geweihten sofort wieder hinaus geschickt. Zu allem Unglück fing es gegen Sonnenuntergang auch noch an heftig zu regnen. Die Blitze zuckten scharf und zerrissen die dunkle Nacht. Der Donner grollte, als ob Rondra persönlich ihn gesandt hätte. Der Regen prasselte gegen die Fenster wie Efferds Sturmflut. „Das ist kein gutes Omen.“ murmelte Elias vor sich hin. „Mein Kind wird verflucht sein.“.

Er wusste nicht wie weit die Nacht bereits fortgeschritten war, als er hörte wie seine Frau in den letzten Wehen lag. Sie schrie laut vor Schmerzen, während die Geweihte beruhigend auf sie einsprach und ihr Führung gab. Plötzlich klopfte es an der Tür und Elias erschrak sehr. Zornig öffnete er die Tür und hob zu einer derben Beschimpfung an, da er einen seiner Knechte erwartete. Erstaunt blickte er in das Gesicht eines Borongeweihten, welche einen Ölumhang eng um sich geschlungen hatte. Es war nicht der gleiche Geweihte dem er im Tempel sein Anliegen vorbrachte. „Ich habe eine Antwort erhalten und wurde angehalten diese augenblicklich zu überbringen.“ Mit diesen Worten trat der Geweihte an Elias vorbei in die Stube. „Euer Gnaden,“ setzte Elias an „so sehr ich einer Antwort entgegen fiebere, heute Nacht wird mein Kind geboren und ich bitte euch morgen wieder zu kommen.“. „Genau darum geht es.“ erwiderte der Geweihte. „Aber, der Herr Boron will doch nicht das Leben eines Ungeborenen?“ Elias wurde bleich während er sprach. „So ein Unsinn.“ schalt ihn der Geweihte „Das Leben ist das Geschenk der Tsa und es ist heilig. Niemals würde Boron das fordern.“. Elias atmete erleichtert auf und fragte „Aber was fordert Boron dann? Was kann ich ihm geben um seine Vergebung zu erlangen?“ In dem Moment hörte er die Stimme der Traviageweihten „Pressen habe ich gesagt, langsam und gleichmäßig pressen und das Atmen nicht vergessen mein Kind.“ Elias schaute besorgt Richtung Tür zum Schlafzimmer. „Der Herr Boron möchte,“ setzte der Geweihte an und in diesem Moment schlug der Blitz in ein dem Hof nahestehenden Baum ein „das ab sofort ein jeder Erstgeborener einer jeder Generation in den Dienst Borons tritt und sein Leben in seinem Dienst verbringt.“ Elias antworte ohne zu Zögern „So sei es. Der Dienst im Namen der Götter ist keine Schmach.“

Der Regen lies sofort nach, die Blitze hörten auf wie wild zu zucken und der Donner grollte nur noch leise aus der Ferne, als auf einmal der Schrei eines Neugeborenen durch das Haus hallte. Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich und die Hebamme schaute durch den Spalt und rief Elias zu, dass das Kind da sei und er nun rein kommen dürfe. Sie hatte dabei jedoch einen verzweifelten Gesichtsausdruck. Elias merkte das kaum und stürmte sofort zu seiner Frau und dem Kind. Die Traviageweihte blickte streng drein. Letezia lag im Bett und war noch ganz schwach von der Geburt, sie hielt ein Bündel im Arm. Er trat auf sie zu und sie zeigte ihm den kleinen Knaben, der fest in Tücher eingewickelt war. „Du weißt, dass ich dir immer treu war.“ brachte sie mit zittriger Stimme hervor und zeigte Elias seinen Sohn. Das Kind blickte ihn aus dunklen Augen an und sein Kopf war von einem tiefschwarzen Flaum bedeckt, der im Schein der Kerzen immer wieder bläulich schimmerte, wie das Gefieder eines Raben. Elias lächelte zuerst seinen Sohn und dann seine Letezia an. „Aber sicher weiß ich das meine Liebe. Es ist alles gut.“ Letezia lächelte erleichtert. „Werdet ihr den Segen zur Geburt sprechen werte Mutter?“ frage er die Traviageweihte. Dann wandte er sich an die Hebamme „Bitte holt den Borongeweihten rein. Ich möchte, dass er dabei ist.“ Alle blickten ihn fragend an, aber die Hebamme ging in die Stube und kam nach kurzer Zeit zurück. „Da ist niemand Herr. Aber ich habe diese Rabenfeder in der Stube gefunden. So groß wie sie ist muss das ein stattliches Tier gewesen sein.“ Elias nahm die Feder an sich, blickte aus dem Fenster und sah wie sich im Licht eines fernen Blitzen ein Rabe auf gewaltigen Schwingen gen Himmel hob. Er lächelte und wandte sich an die ehrwürdige Mutter „Bitte sprecht den Segen.“.

 

Kapitel 5

Epilog

„Und so mein Junge,“ erzählte Väterchen Ullrich weiter „kam es dazu, dass jeder Erstgeborene einer jeden Generation der Familie Audran mit rabenschwarzen Haaren und tiefdunklen Augen auf die Welt kommt und sich dem Dienst an der Boronkirche verschreibt und das schon seit vielen Jahren.“. Mit diesen Worten schloss Ullrich seine Erzählung ab, zog an seiner Meerschaumpfeife und lehnte sich zurück.

„So eine Erzählung hört man nicht alle Tage.“ gab ich ganz ehrlich zu. „Aber was ist daran wahr und was ist dazu gedichtet?“ wollte ich wissen. „Tja mein Junge, im Laufe der Jahre verändert sich so eine Erzählung natürlich. Im Kern aber, da bin ich mir sicher, entspricht sie der Wahrheit. Wie du überall siehst, wird Boron hier viel Ehre zu Teil und das kommt ja nicht von ungefähr mein Freund.“ Opa Ullrich stand auf, putzte sich den Staub aus seinen Klamotten und trat auf die Straße. „Ich muss dann doch mal weitergehen und du junger Mann, ich denke du solltest diese Geschichte aufschreiben, damit sie für die Nachwelt erhalten bleibt.“ Mir schien das ein guter Gedanke „Aber sicher Väterchen, das mache ich sofort. Ich wünsche euch noch einen guten Tag.“ Ich machte mich daran mein Pergament und den Kohlestift auszupacken um direkt loszuschreiben als Opa Ullrich sich noch mal zu mir umdrehte und sprach „Es heißt übrigens, dass Boron seine Boten immer wieder mal hier her sendet um nach dem Rechten zu sehen, aber das ist bestimmt auch nur im Laufe der Jahre dazu gedichtet worden.“ Ich lächelte ihn an „Ja, wahrscheinlich erzählt man das sich nur so.

Opa Ullrich ging nun endgültig die Straße entlang und verschwand hinter der kleinen Kapelle aus meinem Blickfeld. Nach einer kurzen Zeit hörte ich das Schlagen von großen Flügeln, worauf ich sofort aufsprang und um die Kapelle lief. Von Opa Ullrich war nichts zu sehen, auf der Straße aber, im trockenen Staub, lag eine Feder, tiefschwarz wie die Feder eines Raben und so groß, das muss ein stattliches Tier gewesen sein.

 

 

Ende

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.